Pressemitteilung - Im Heimweh ist ein blauer Saal

20/02/2020 - 13/06/2020


Zilberman–Berlin freut sich, die Ausstellung Im Heimweh ist ein blauer Saal mit Arbeiten von Else-Lasker Schüler, Herta Müller, Heba Y. Amin and Maja Bajević anzukündigen. Die Ausstellung ist kuratiert von Jürgen Kaumkötter, Direktor des Zentrums für verfolgte Künste. Die Eröffnung findet am 20. Februar um 18 Uhr statt, die Presse-Vorschau um 11 Uhr.

„Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.“

Das im Exil entstandene Gedicht „Mein blaues Klavier“ der Avantgarde-Künstlerin, Dichterin und Dramatikerin Else-Lasker Schüler (1869–1945) spricht von der Sehnsucht nach einer unmöglichen Heimat. Nach einem gewalttätigen Angriff durch die SA floh Lasker-Schüler – in Berlin damals schon eine bekannte Figur – zunächst in die Schweiz und von dort weiter nach Jerusalem, das damals noch zum britischen Mandatsgebiet Palästina gehörte. In ihren Arbeiten, die mit Motiven aus Mystik und Religion, Orientalismus (!) und Sehnsüchten spielen, verschmelzen Text und Bildsprache miteinander. Durch ihre Auftritte in verschiedenen Alter Egos, die sie auch im Alltag aufführte (wie etwa als Prinz Yussuf), durchbrach die Künstlerin mit einem ironischen Spiel soziale und Geschlechtsnormen.

Die Ausstellung, mit Lasker-Schüler einer starken Frauenfigur des deutschen Expressionismus gewidmet, thematisiert vielschichtige politische und soziale Realitäten wie Exil, Vertreibung, Sehnsucht, aber auch Zensur und Machtverhältnisse. Text und Forschung bilden den Kern der ausgestellten Werke und zeigen die intensive Auseinandersetzung der Künstler mit Geschlechter und Machtfragen.

In Lasker-Schülers sechs autobiografischen Zeichnungen aus den 1920er Jahren begegnen wir Figuren aus ihrem Traumland. Hoffnung kommt in diesen Zeichnungen zum Ausdruck, trotz der Widrigkeiten des Lebens, die sie als verarmte Künstlerin im Exil erdulden musste. Als Reflexion über diese sechs Zeichnungen schafft die Literaturnobelpreisträgerin von 2009, Herta Müller, seit den 1980er Jahren Wortcollagen – wie Lasker-Schüler ist auch Müller bekannt für ihre hartnäckigen Attacken auf patriarchale Strukturen. In den Collagen offenbart sie einen Ansatz, der anders als ihre realistischen Bücher über Folter und Grausamkeit mehr ins Metaphorische spielt, wie in der Collage mit dem Satz: „Kam ein Wind so / frisch wie Milch / so alt wie Lehm, / wurde anschmiegsam und / sah mich von innen an.“

Position beziehend gegen vorherrschende Gewaltstrukturen geht die aus Kairo stammende Künstlerin Heba Y. Amin in ihren Werken der Frage nach, wie die koloniale Vorstellungswelt durch den invasiven Blick ihrer optischen Geräte verletzliche Körper zu Gegenständen macht. Die gezeigten Kunstwerke erinnern an die Herrschaftsmechanismen und die durch Methoden der Landvermessung und Überwachungssysteme ausgeübte Kontrolle. In der fortlaufenden Fotoserie German Landscapes by Night (2019–) zeichnet Amin das Szenario eines Landvermessers aus Afrika – das ist die Künstlerin selbst – nach, der deutsche Landschaften mithilfe optischer Geräte bei Nacht vermisst und kartografiert. Sie lehnt sich an koloniale Taktiken an, um vorhandene Ausbeutungsstrukturen durch den Einsatz von Technologien und Waffen aufzudecken, die nach wie vor gegen Zivilisten im globalen Süden eingesetzt werden.

Die Werke der in Sarajevo (im früheren Jugoslawien) geborenen Künstlerin Maja Bajević beschäftigen sich mit Wahrheit, Identität und der Idee von Heimat. Das Video How do you want to be governed? (2009) zeigt eine schweigende Frau, die beharrlich und gewaltsam geknufft und gestoßen wird. Eine Stimme aus dem Off stellt immer wieder die gleiche unmögliche Frage: „How do you want to be governed?“ (Auf welche Weise wollen Sie regiert und gelenkt werden?) Bajević denkt über Machtverhältnisse und deren Absurdität nach, indem sie zeigt, wie bestimmte Wörter als Instrumente der Unterdrückung eingesetzt werden. Ihre Arbeit ist eine Hommage an Raša Todosijevićs Was ist Kunst? (1976); sie reflektiert die Position von Künstlern als prekären Personen in einer gelenkten Gesellschaft und erinnert an die Armut und Heimatlosigkeit, mit der schon Else Lasker-Schüler zu kämpfen hatte – und damit an die schmerzliche Wahrheit, dass sich seitdem nicht viel geändert hat auf der Welt und wir nach wie vor im Visier eines gnadenlosen Hegemonialsystems stehen.