The Passage of Amnesia / Ghost Variations, 1st Regression
12/09/2023 - 25/11/2023
Conversation: WARBURG IN CONTEXT / Treasury of Pain #01
Almút Shulamit Bruckstein in conversation with Simon Wachsmuth
Tuesday, November 7, 2023, 7 p.m.
Zilberman | Berlin: Schlüterstraße 45, 10707 Berlin-Charlottenburg
WARBURG IN CONTEXT is a series of ad hoc interventions by the House of Taswir in exhibition spaces in Berlin, performing Aby Warburg's Schieben der Gestelle inside-out of predefined territories. The conversation will be held in English.
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Eröffnung: Samstag, 09 September, 18–21 h
19 h: Performance in Zusammenarbeit mit der Komponistin Laurie Schwartz
Zilberman | Berlin freut sich, die Ausstellung The Passage of Amnesia von Omar Barquet anzukündigen.
Mit seiner ersten Soloausstellung in Berlin verbindet der mexikanische Künstler Omar Barquet neue Arbeiten mit autofiktionalen Elementen, die er in einem Parcours, bestehend aus drei Kapiteln, inszeniert. Über die Jahre hat Barquet tagebuchartig Alben angelegt, in denen er Motive verschiedener Bildtraditionen sammelt, auf die er in Collagen und Assemblagen zurückgreift. Landschaften werden bei Barquet zur Chiffre menschlicher Existenz. Während er in früheren Arbeiten mit Installationen in den öffentlichen Raum eingriff, wendet er sich in jüngeren Arbeiten mentalen Räumen zu. Das Motiv des Auges findet sich in verschiedenen Kompositionen, häufig ein geschlossenes Auge oder in seiner metaphorischen Bedeutung: „im Auge des Sturms“. Die Ruhe ist trügerisch, denn ringsum tobt der Sturm mit voller Wucht. Die Erzählung von Hurrikans, die alles durcheinanderwirbeln, Küstenlinien erodieren lassen und verheerende Zerstörungen hinterlassen, prägt die Arbeiten von Omar Barquet, der in Chetumal an der Ostküste von Yucatan in Mexiko aufgewachsen ist und heute in Mexico City lebt. Als 1st Regression bezeichnet Barquet den Moment, wenn der Sturm auf die Küste trifft. Sein Geschichtsverständnis ist nicht-linear, Phasen von Aufbau und Zerstörung folgen aufeinander sowohl in der Natur wie im menschlichen Leben. Das Arbeiten mit Fragmenten entspricht diesem zirkulären Zeitverständnis.
Barquets Arbeitsweise basiert auf einem Prozess des Sammelns und Recyclens. Strandgut, Treibholz, Muscheln, Fragmente von angespülten Möbelstücken, Materialien, die die Narben der Zeit und des Gebrauchs tragen, kennzeichnen seine Arbeiten. Er hat sich mit indigenen Philosophien beschäftigt und dabei die Vorstellung einer Matrix aller Beziehungen innerhalb von Gemeinschaften, menschlich und nicht-menschlich, entwickelt, die harmonisch und inklusiv ist. Dabei geht es Barquet um die Rückgewinnung von Wissen und Spiritualität der Vorfahren und die Verbindung zu heutigen Umweltfragen. Barquet teilt ein tiefes Verständnis für heterodoxe Praktiken spiritueller Alterität und für die Komplexität, die in der Volksreligiosität zu finden ist. Dieses Interesse spiegelt sich in einem der Ausstellungsräume wider, in dem sich Barquet mit verschiedenen Traditionen der Trauer und des Totenkults in Mexiko beschäftigt.
The Passage of Amnesia, so Barquet, thematisiert einen existentiellen Zwischenzustand, den transitorischen Raum zwischen Geburt und Tod, Leben und Tod, Erinnerung und Vergessen. In Barquets Ausstellung tauchen wir in ein narratives Setting ein, in eine beunruhigende Umgebung, die der Künstler wie einen Bewusstseinsstrom von Erinnerungen, Träumen und Flashbacks inszeniert. Mit dem Titel The Passage of Amnesia zitiert Barquet Verse des Dichters Francisco Hernandez, mit dem ihn eine lange Freundschaft verbindet. Aufnahmen der brüchigen Stimme des Dichters sowie Fragmente aus seinen Gedichten bilden den Ausgangspunkt einer vokalen Performance in der Ausstellung. Neben der Poesie, die in Barquets Werk eine zentrale Rolle einnimmt, sind es Bezüge zur Musik, die seine Arbeiten prägen, darunter die wiederkehrende Referenz zu den Geistervariationen von Robert Schumann, aber auch zu dem gleichnamigen Stück des zeitgenössischen Komponisten und Pianisten George Tsontakis.
Die Skulptur Corona/Medusa (for H. Bosch) (2023), eine konische Form aus drei konzentrischen Ringen, die an einen riesigen fallenden Kandelaber erinnert, also eine destabilisierte Struktur, ist mit gebogenen Elementen alter Schaukelstühle, verwitterten Holzstücken in unterschiedlichen Formen und Farbtönen, und geflochtenen Haaren behängt. Mit Fragmenten von Schaukelstühlen hat Barquet immer wieder gearbeitet, und er erinnert sich, wie Stühle bei Überschwemmungen in den Fluten schwimmen. Die gebogenen Elemente von Schaukelstühlen behandelt Barquet wie die Silben eines Wortes, mit denen er ein sprachlich-skulpturales System schafft.
Seine Herangehensweise an die Abstraktion hat Barquet als von der Poesie und der Zeitlichkeit und Dynamik der Musik inspiriert beschrieben. Er hat Arbeiten mit dem Titel Syllables geschaffen oder nennt seine Arbeiten Anagramme und Ideogramme. Wie die Neo-Concreto-Bewegung in Brasilien, die sich vom rationalistischen Ansatz der konkreten Kunst distanzierte, stehen Barquets geometrische Abstraktionen in einem zeitgenössischen Rahmen phänomenologischen Ansätzen nahe.
Barquets Arbeiten, denen verschiedene Drucktechniken zugrunde liegen, weisen eine erhöhte Komplexität der Oberflächen auf, die er manuell bearbeitet. Es sind bestimmte Qualitäten wie Rhythmus, Stille, Rauheit, Dichte, die in Barquets Ausstellung mehrere Sinne stimulieren und transsensoriell erfahren werden. Barquet lenkt den Blick auf Passagen, Übergänge, Transformationen und Transmutationen (The Alchemist, 2023) und arbeitet häufig in Serien bzw. Variationen etwa in der Reihe der Waterfalls (2023). Dadurch offenbaren sie ihre Instabilität und öffnen zugleich eine Perspektive in die Zukunft.
Text: Lotte Laub
Anlässlich der Eröffnung findet eine Performance in Zusammenarbeit mit der Komponistin Laurie Schwartz statt mit Citlali Huezo, Ana Kavalis, Marjolein van der Meer.
Begleitend zur Ausstellung wird ein Katalog erscheinen mit Beiträgen von Leslie Moody Castro, Andrea Hinteregger De Mayo und Lotte Laub.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: berlin@zilbermangallery.com
Omar Barquet (geb. 1979, Chetumal, Mexico) hat an der National School of Painting, Sculpture and Printmaking „La Esmeralda“ in Mexico City studiert. Er hatte Einzelausstellungen u.a. im Museo Experimental El Eco, Mexiko City, im Museo Nacional de Arte Moderno “Carlos Mérida”, in der Kunsthalle São Paulo und nahm an der XV. und XVI. Bienal de Pintura Rufino Tamayo des Museo Tamayo in Mexiko teil. 2018 schuf Omar Barquet sein erstes internationales Kunstprojekt im öffentlichen Raum, ein 7.500 Quadratmeter großes Wandbild mit dem Titel Oiseaux Exotiques, das von der Related Group für den Paraiso Bayviews-Komplex in Midtown Miami in Auftrag gegeben wurde. Barquet hat zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien erhalten, darunter das Young Artists Fellowship des National Fund for Culture and the Arts (FONCA) und den MACG – Bancomer Arte Actual Grant (Museo de Arte Carrillo Gil) in Mexiko. Er war Artist-In-Residence u.a. bei CAPACETE in Rio de Janeiro und der Casa Tomada in São Paulo, sowie be MAAS, NYC; Fountainhead, Miami; Tupac, Lima; Vestfossen in Norwegen und Kiosko in Bolivien. Barquet gründete zusammen mit Jose Luis Landét, Agustín González und Moris das Second Floor Art Collective. Außerdem gründete er mit dem Komponisten Fernando Soberanes und dem Musiker Javier Loyola das Trio für Klangexperimente Grama Ruina. Seine Werke sind u.a. in den Sammlungen der Jumex Collection, FEMSA Collection, ESPAC Collection, Jorge Pérez Collection, Sackner Collection, New Collection, JoAnn G. Hickey Collection, COPRO Collection, Related Group Collection, Museo de Arte Contemporáneo de Oaxaca, Museo de Arte de Sonora, Museo Palacio de Medicina und Phoenix Museum of Art vertreten. Seit 2000 lebt und arbeitet Omar Barquet in Mexico City.
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