Level 3
05/12/2020 - 17/04/2021
Zilberman | Berlin freut sich, die Ausstellung Level 3 von Manaf Halbouni anzukündigen. Die Eröffnung findet am 5. Dezember von 12 bis 21 Uhr statt.
Ultur (2020), so lautet der Titel einer Wandskulptur von Manaf Halbouni augenzwinkernd, eine Leuchtschrift in roter Signalfarbe. Den Anfangsbuchstaben hat der Künstler durch das arabische K ersetzt: كULTUR, womit er auf der einen Seite die Gemeinsamkeiten verschiedener Sprachräume und Traditionen adressiert, und zugleich auch provozieren will. Hierzu hat ihn vielleicht ein anderer Schriftzug (Go Home, 2019) in der Nähe eines Flüchtlingslagers in Dresden inspiriert, dem von syrischen Flüchtlingen etwas hinzugefügt worden war: der fremdenfeindlichen Aufforderung, per Schablone gesprüht: „Kehrt in Eure Nation zurück“( ),ارجعوا الى وطنكمwar ein per Hand nachträglich vorangesetztes „nein“ ( )لاhinzugefügt worden: „Kehrt nicht in Euer Heimatland zurück“ (.)لا ارجعوا الى وطنكم
Mit seiner viel beachteten Installation im öffentlichen Raum, Monument, drei hochkant aufgestellten Bussen, die 2017 vor der Frauenkirche in Dresden, dann vor dem Brandenburger Tor in Berlin präsentiert wurde, hat sich Manaf Halbouni gesellschaftskritisch mit dem Krieg in Syrien, mit globalen Konflikten, Flucht und Migration beschäftigt. Weitere zentrale Themen sind Kolonialismus und militärische Gewalt, Grenzen und Entwurzelung. Manaf Halbounis Werke sind häufig biographisch motiviert, so auch der Ausstellungstitel Level 3: nach Damaskus und Dresden führt Berlin den Künstler gewissermaßen zur dritten Ebene.
Level 3 kann aber auch als Fiktion verstanden werden, wie ein Möglichkeitsraum, in dem sich der Künstler mit seinem medienübergreifenden Langzeitprojekt What If bewegt, welches im Mittelpunkt der Ausstellung steht. Was wäre, wenn die industrielle Revolution nicht in Europa, sondern im Osmanischen Reich und der arabischen Welt stattgefunden hätte und wenn letztere Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besiegt hätten? In What If kehrt Manaf Halbouni Geschichtsverläufe um in einer Mischung aus Fiktion, historischen Fakten und gegenwärtigen Konflikten. Als „subversiven Kartographen“ bezeichnet Marta Smolińska im Katalog zu dieser Ausstellung den Künstler Manaf Halbouni, der neben einem Videointerview mit seinem alter ego, General Youssef Hadid, bearbeitetes Kartenmaterial zeigt, das die fiktive Situation voraussetzt, dass arabische Mächte Europa erobert haben. Zu What If zählen außerdem Collagen aus Fotografien von öffentlichen Plätzen Hauptstädten der westlichen Welt zeigen, in die osmanische Moscheebauten hinein montiert sind und die Namen aus dem arabischen Raum tragen. Dabei werden die Plätze umbenannt, aus dem Pariser Platz in Berlin wird der Damaskus-Platz. Die verschiedenen Farben der Epoxidoberfläche verleiht den Stadtansichten historische Ferne.
Halbouni beschäftigt sich mit globalen Entwicklungen in der Politik und Verschiebungen von Machtverhältnissen. Ein Mosaik, wie ein QR Code gestaltet, zeigt Fragmente aus Gesichtern von Politikern, die derzeit zu den Mächtigen der Welt gehören. Wie sich Weltkonstellationen verändern, thematisiert auch eines der Hauptwerke der Ausstellung, die Radioinstallation Echoes, für die Halbouni die Nationalhymnen von 21 ehemaligen Staaten gesammelt hat, die zwischen 1900 und 2000 bestanden, z.B. Hatay 1938–1939, Katanga 1960–63, auch die Sowjetunion 1922–1991.
Skulpturen aus Beton bilden eine weitere Werkreihe die ursprünglich inspiriert war vom Anblick der Kriegszerstörungen in Syrien. Der harte Gegensatz von überlieferten Kunst- und Andachtsobjekten, umgeben von rohem Baumaterial, schmerzt und vermittelt dem Betrachter die Befindlichkeit von Kriegsgeschädigten.
Manaf Halbouni (geb. 1984, Damaskus) studierte an der Universität der Schönen Künste Damaskus und an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. 2016 erhielt er den Marion Ermer Preis und 2020 den HAP- Grieshaber Preis der VG Bild-Kunst, anlässlich dessen eine Soloausstellung im Dezember dieses Jahres im Deutschen Künstlerbund in Berlin stattfindet. Zu Manaf Halbounis jüngsten Ausstellungen zählen seine erste museale Soloausstellung Ostwind, kuratiert von Antje-Britt Mählmann, Kunsthalle St. Annen (Lübeck, 2020); ferner die Gruppenausstellung Bon Voyage!, Ludwig Forum (Aachen, 2020); In weiter Ferne so nah, Haus am Lützowplatz (Berlin, 2020); Havana Biennial (Kuba, 2019); Forgotten Enlightenments, Halle 14, Zentrum für Zeitgenössische Kunst Leipzig (Leipzig 2019); They will not endure it (Rotor, Graz, 2018); The Island Is What The Sea Surrounds (European Capital of Culture 2018, Valetta, Malta); Your Story (Kunsthalle Emden, 2017); The Restless Earth (Triennale de Milano, 2017); Installation Monument (Neumarkt, Dresden; Brandenburger Tor – Berlin Herbstalon / Berlin Autumn Salon, Berlin, 2017); Nowhere is Home (Museum der bildenden Künste, Leipzig, 2016); Baustelle Europa (Kunsthaus Dresden, 2016); ASYLUM (Bielefelder Kunstverein, Bielefeld, 2016). 2018 war er Stipendiat des AArtist in Residence Programms (Auswärtiges Amt) und 2019–2020 Stipendiat der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.
Text: Lotte Laub
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Essay von Marta Smolińska, einem Interview mit Manaf Halbouni von Charlotte Bank und einer Einleitung von Lotte Laub.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an berlin@zilbermangallery.com.
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- Manaf Halbouni