Residual Entries

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22/02/2024 - 28/04/2024


Yane Calovski
Residual Entries

Eröffnung: Donnerstag, den 22. Februar, 18–20.30 h

Zilberman | Berlin freut sich, die Soloausstellung Residual Entries von Yane Calovski anzukündigen.

In seiner ersten Ausstellung in der Galerie Zilberman zeigt Yane Calovski neue sowie ältere Arbeiten, die das Ergebnis jahrelanger Recherchen sind und häufig in mehreren Kapiteln entwickelt sind. Im Zentrum stehen drei Rauminstallationen: Undisciplined Construction of an Archive, außerdem Makedonium: Dramaturgy of the Unfinished sowie Schöning: Extensions, Chromas, and Reflections. Quelle sowie Gegenstand dieser Installationen sind institutionelle und private Archive, anhand derer sich Calovski mit der Ambivalenz großer städtebaulicher Projekte der 1960er und 70er Jahre beschäftigt hat. Dabei sammelt Calovski materiale Spuren, die ihm als Einstieg in seine Projekte dienen, wie auch in dieser Ausstellung Residual Entries. Es können Pigmente sein, oder wertvolle Artefakte und Dokumente, aber auch Gebrauchsgegenstände. Calovski behandelt sie gleichwertig. Oder er rekonstruiert Erinnertes, formt es neu oder wandelt es um, so, als wolle er Vergangenes für eine Neubewertung öffnen. Sehr bewusst beschäftigt er sich mit der Beschaffenheit bestimmter Werkstoffe, wie Metall, Holz, Papier oder Kautschuk, wie auch mit der Organisation von Objekten und Zeichnungen im Raum. Auch performative Elemente bringt er in dieses Spiel des Arrangierens und Kombinierens ein, mit denen er zugleich die Prozessualität seines Arbeitens hervorhebt.

Die Installation Undisciplined Construction of an Archive: Skopje basiert auf Calovskis Beschäftigung mit seiner Heimatstadt Skopje, die 1963 durch ein verheerendes Erdbeben fast vollständig zerstört wurde, und in dessen Folge ein internationaler Städtebauwettbewerb ausgeschrieben wurde, den das japanische Architekturbüro Kenzo Tange gewann. Dieser Neubeginn wurde als Chance für Skopje gesehen, ein international anerkanntes Symbol mazedonischer nationaler Identität innerhalb des multinationalen Staats von Jugoslawien zu schaffen. Tanges Masterplan zur Schaffung einer idealen Stadt beinhaltete die Neugestaltung aller Aspekte der Stadt - auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, politischer und kultureller Ebene. Dieser Plan wurde jedoch nie vollständig verwirklicht; stattdessen sind die Ergebnisse von den Diskrepanzen zwischen der auf dem Reißbrett skizzierten urbanen Utopie und den Bedürfnissen der Bevölkerung an städtebaulichen Entscheidungen der Regierung geprägt. Diese Kluft zwischen hochauffliegenden Plänen und realen Ergebnissen bildet den Ausgangspunkt für Calovskis Beschäftigung mit dem Archiv für Stadtentwicklung und Architektur in Skopje, wie auch seine Auseinandersetzung mit dem weit verbreiteten Optimismus der modernen Architektur in den 1960er und 70er Jahren, deren Gesten später oft als autoritär kritisiert wurden.

Wiederum 2017 wurde das Archiv, in dem die Dokumentation des Masterplans von Kenzo Tange für Skopje und anderer großer Architekturprojekte aufbewahrt wurde, durch einen Brand fast vollständig zerstört.Calovski, der sich seit 2004 mit dem Archiv beschäftigt hatte, verarbeitet im jüngsten Kapitel seiner Recherchen eben diese Geschichte, wobei er Auszüge verbrannter Archivalien, darunter Bücher und Karten, die sich teilweise nicht mehr öffnen lassen, weil sie sonst zerbröseln würden, oder alte Fotografien mit seinen eigenen Erinnerungen konfrontiert. Yane Calovski hierzu: “Every time we experience a loss of something associated with our personal but also collective history, be that a document, a building, or a person, we feel that we have lost our footing both in the present and the future. It is a disconcerting, disorienting, and ultimately debilitating experience, and it takes time to recover enough to address it with some consequence. In particular, in times of active aggression, I wanted to understand how a residual archival matter concerns itself with potentiality and re-emergence as new and specific knowledge grounded in its embodiment.”

In der Installation Makedonium: Dramaturgy of the Unfinished thematisiert Calovski die weniger bekannte Geschichte eines öffentlichen Denkmals mit dem Namen Makedonium. Wie beim Masterplan von Kenzo Tange geht es auch bei dieser Arbeit um eine geplante Utopie im Verhältnis zum tatsächlichen Ergebnis, als das sozialistische Mazedonien in den 1960er und 70er Jahren verschiedene öffentliche Denkmäler zum Gedenken an die Vergangenheit der Nation errichtete. Das Monument, das an die Aufstände eines Volkes gegen verschiedene Unterdrücker erinnert, wurde zwischen 1969 und 1974 auf der Grundlage eines Entwurfs der Architektin Iskra Grabuloska und des Bildhauers Jordan Grabuloski errichtet. Iskra Grabuloska hat über Jahrzehnte hinweg ein Archiv angelegt, in dem auch die konzeptionellen und ästhetischen Absichten festgehalten sind und das durch eine Schenkung in das Staatsarchiv Mazedoniens überging. Diese mehrteilige Arbeit, deren jüngstes Kapitel in der Ausstellung zu sehen ist, hat Calovski mit der Künstlerin Hristina Ivanoska, seiner Partnerin, entwickelt, wobei sie neben einem gemeinsamen Film mit der Regisseurin Teona Strugar Mitevska je eigene Arbeiten geschaffen haben. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit umfasst Calovskis Beschäftigung mit dem unvollendeten Teil des Denkmals, einem Raum, der auch als „Vorführraum“ konzipiert war. Während die kuratierten didaktischen Inhalte Grabuloskas den Geist der mazedonischen Befreiungsbewegung durch Filmvorführungen und Diaprojektionen widerspiegelten, sollte auch der Raum selbst der Selbstreflexion und dem Dialog dienen. So hat Calovski für die Ausstellung ein Objekt geschaffen, dass er diesem Raum zuordnet.

In seinem jüngsten Projekt der Ausstellung, Schöning: Extensions, Chromas, and Reflections, hat sich Yane Calovski mit dem Architekten Pascal Schöning beschäftigt, der bekannt war für sein Konzept der „Cinematic Architecture“. Ausgangspunkt für diese neue Installation ist Calovskis Beschäftigung mit der ehemaligen Wohnung des Architekten, die mit allen Inhalten, Büchern, Einrichtung in das Archiv der Avantgarden übergangen ist, und sich in der Cité Radieuse in Briey, Frankreich befindet. Sie wurde von Le Corbusier zwischen 1959–1960 nach dem Vorbild der Unitè d’Habitation in Marseille erbaut – eine weitere befindet sich in Berlin. Calovski bringt die Originaltüren von Le Corbusier, die sich in Schönings Wohnung befanden, und die dieser selbst sammelte und als Trennwände in seiner Wohneinheit verwendete, in die Zilberman Galerie, aber auch Spiegel- und Glasplatten sowie weitere Materialien und Ephemera. Calovski arbeitet mit diesen Elementen, er entwickelt sie weiter, baut sie teilweise nach, womit er modulare Herangehensweisen Le Corbusiers aufgreift und die Wohn-, Gemeinschafts- und Organisationskonzepte, wie sie von Le Corbusier und schließlich Pascal Schöning entwickelt wurden, neu überdenkt.

Seit einigen Jahren leben und arbeiten Yane Calovski und seine Familie, die Künstlerin Hristina Ivanoska und ihr gemeinsamer Sohn Teodor zwischen Berlin und Skopje. Diese Bewegung zwischen zwei Orten, die Calovski als Dichotomie beschreibt, entspreche auch seinem Arbeitsprinzip. Dieses sei geprägt von der Modularität seiner Konstruktionen, der Geste des Zusammenarbeitens, der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und der kontinuierlichen Suche nach einer sinnvollen Verbindung, einer Konversation, die zu neuen und besonderen Begriffen von politischer Verantwortung und Kreativität führe.

Text: Lotte Laub

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an berlin@zilbermangallery.com.

Yane Calovski dankt dem Archiv der Avantgarden-Egidio Marzona, der Association La Première Rue in Briey und dem Kulturministerium der Republik Nordmazedonien.

Yane Calovski (*1973, Skopje) lebt und arbeitet in Berlin und Skopje. Zu seinen jüngsten Einzelausstellungen zählen Galerie Blanche – Association La Première Rue, Briey (2022), Kunsthalle Kohta, Helsinki (2020), Museum für zeitgenössische Kunst, Skopje (2017, 2011), ZAK | BRANICKA (2016, 2011), Tate Britain, London (2010). Calovski und Hristina Ivanoska bespielten den Pavillon Nordmazedoniens auf der 56. Biennale von Venedig mit einer von Basak Senova kuratierten gemeinsamen Installation (2015). Ausstellungen, die der gemeinsamen Praxis mit Hristina Ivanoska gewidmet sind, wurden u.a. in der Kunsthalle Wien (2023), Art Encounters Foundation, Timisoara (2022), Tobacna - MGML, Ljubljana (2019), Museum für zeitgenössische Kunst Skopje (2018), Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb (2017) und der Kunsthalle Baden-Baden (2014) präsentiert. Gemeinsam wurden sie mit einem Pollock-Krasner Foundation Grant (2018) ausgezeichnet. Calovski hat an zahlreichen Biennalen teilgenommen, darunter die 39. Eva International (2022), Helsinki Photography Biennial (2014), die Jerusalem Show VII: Fractures (2014), 2nd Biennial of Contemporary Art, D-O ARK Underground (Bosnien und Herzegowina, 2013), Manifesta 7, Bozen (2008) und Manifesta 3, Ljubljana (2000). Calovski hat Installationen in zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt, darunter ICI Paris (2022), MAXXI Rom (2021), Malmö Konstmuseum, Schweden (2015), CAC Vilnius (2003) und Drawing Center, New York (1998). Er hat ortsspezifische Installationen für Bunkier Sztuki, Krakau (2016) und die Stiftung Bauhaus, Dessau (2015) geschaffen. Calovskis Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten, darunter das Philadelphia Museum of Art, das Van Abbemuseum, Eindhoven, die Sammlung Deutsche Bank, Frankfurt am Main, und die Art Telekom Collection, Berlin. Die Zorlu Center Collection veröffentlichte eine Monografie seines Werks mit dem Titel Yane Calovski: obje'ct, herausgegeben von Basak Senova (2012). Calovski hat an der Pennsylvania Academy of the Fine Arts (1996) und am Bennington College (1997) studiert. Er nahm an Atelierprogrammen des CCA Kitakyushu, Japan (1999-2000) und der Jan van Eyck Academie, Niederlande (2002-2004) teil. Im Jahr 2004 gründete er gemeinsam mit Hristina Ivanoska den Press to Exit Project Space, eine Plattform für künstlerische Forschung und kuratorische Praktiken.


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